Ein freier Texter lässt Dampf ab
Es gibt so Tage, da muss man sich seinen Frust von der Seele Schreiben. Die Kehrseite des Freiberufs beleuchten.
Freiberufler sind Tausendsassa, verdienen super und picken sich die besten Jobs raus. Sicher. Klar doch. Kein Widerspruch. Wir leben im Schlaraffenland.
Wenn da nicht die sprichwörtlichen Pferde wären, die wir andauernd kotzen sehen. Nie hätte ich mir träumen lassen, wie viele dieser Rösser man nicht nur sieht, sondern sich direkt in den Weg stellen.
Ich meine jetzt nicht einmal den Amtsschimmel oder “schwarze Ritter”. Dafür gibt es Lösungen, die einem in Form gewiefter Steuerberaterinnen und knallharter Rechtsanwälte den Rücken freihalten. Wertvolle Mitstreiter, die aber Geld kosten. Richtig spannend wird es für freiberufliche Grafiker und Texter, wenn sie mit Teilzeit- und Hobbytüftlern konkurrieren müssen. Das soll hin und wieder vorkommen. Jemand kennt jemanden, der einen kennt, der schon immer schreiben wollte. Wie unbeholfene Pony-Fohlen fallen sie beim Kunden ein. Dann steht plötzlich ein Angebot von einem Hobby- oder Teilzeit-Texter im Raum, der „nur mal zum Spaß“ ein Mailinganschreiben für 25,- € oder weniger anbietet. Wem jetzt die Kinnlade ungläubig auf die Schreibtischkante fällt, geht es wie mir vor wenigen Tagen in einem Akquisegespräch. Derartige Preise hört man von Webdesignern, die sich Grafik- und Textdienstleistungen über Internetforen suchen. An Social Media will ich an dieser Stelle noch gar nicht denken. Wenn Auftraggeber wie Schwaben im schweizerischen Exil auf den Preis achten, ergeben sich interessante Zu- und Abwanderungen im Kundenportfolio.
Manche Kostendrücker auf Kundenseite, vornehmlich knausrige BWL-Absolventen, stehen auf Low Budget – Text und Schnell-Mal-Billig-Grafiken. Geiz ist immer noch geil. Zuverlässigkeit, eine gründliche Einarbeitung in das Thema und hervorragende Qualität sind Zahlenschubsern egal. Kurios wird es, wenn die Abteilung “Einkauf” des Kunden mit der Abteilung “Marketing” aus eben diesem Grund im Klinsch liegt. Dass das Billig-Ergebnis gar nicht in allen Fällen so entsetzlich schlecht sein muss, stelle ich hier überhaupt nicht in Frage. Allerdings sollte sich jeder, der ein Angebot abgibt, genau überlegen, dass gute Arbeit ihren Preis haben sollte. Ist der Preis erst einmal im Keller, können viele gute Kolleginnen und Kollegen ihren Laden dicht machen. Vollzeit-Texter müssen von ihrem Honorar leben können.Mit Preisdumping hat sich noch niemand einen Gefallen getan.
Okay, außer Aldi und Dacia vielleicht.
Wir waren aber bei kotzenden Pferden. Manchmal erscheinen Sie in Form eines Marketingleiter-Hengstes, der aus direkter Blutlinie der Gründerfamilie stammt. Oft denkt diese besondere Spezies, die Weisheit mit Schaumlöffeln gefressen zu haben. Jede noch so gute Idee wirft er ab und zieht lieber sein eigenes Ding durch. Kein Thema. Er ist der Kunde. Und der Kunde ist und bleibt König. Nur dass der Auftragnehmer am Ende die Schelte und den Spott der Kollegen für das meist kunterbunte Ergebnis einstreichen darf. Wer jetzt verständnisvoll nickt, weiß wovon ich spreche. Der Branchenprimus Jung von Matt macht dies gerade beim aktuellen Vodafone-Werbespot durch. Ein anderes schönes Beispiel: Alle Trittbrettfahrer der Praktiker-Aktionen “20 Prozent auf alles außer xy”. Wie einfältig ist das denn bitte, sich als x-tes Unternehmen mit einer weiteren “witzigen” Adaption dieser Headline zu versuchen?
Die Pferde. Ja. Manchmal trifft man unvorbereitet auf ganz besondere Exemplare, die einen eiskalt erwischen können. Erfahrungen mit Agentur-Alphatierchen, die den Stil eines Texters generell in Frage stellen, bleiben die Ausnahme. Für einen Texter ist das der Supergau. Bei einer lockeren Plauderei zum Thema „Schauen wir mal, ob wir etwas zusammen machen wollen“, kann es schnell ungemütlich werden. Pferdchen, deren Reitstiel einem spontan nicht schmecken, werden in der Branche schonmal gnadenlos zurechtgestutzt, einfach ignoriert oder bekämpft. Plötzlich stehen Worte wie „Scheiß Stil. Die Entwürfe sind Müll. Und was für Headlines!“ im Raum. Dass der Stil vor allem die Zielgruppe begeistern muss, ist eines dieser Argumente, die einem dann erst im Nachhinein in den Sinn kommen. Beim zweiten Anlauf können diese Agentur-Schimmel einen schnell mit den Hinterläufern erwischen- direkt in den Allerwertesten. Beispiel für einen genialen Vorschlag, der dann kommen kann: bei einem unbezahlten Praktikum zu lernen, wie „das die Profis so machen.“ Zuerst bist du sprachlos. Dann ärgerst du dich. Erst später wird einem klar, aus welcher Richtung der Wind wirklich weht. Nach dem ersten Schock erinnert man sich schnell wieder an die lobenden Worte zufriedener Kunden. Man kommt zurück auf den Boden der Tatsachen. Nachdem ein Pferd gekotzt und getreten hat. Da wollte einfach jemand auf clevere Art und Weise einen unbezahlten Texter für ein halbes Jahr rekrutieren. Eiskalt und irgendwie bauernschlau.
Was lernen wir daraus? Gute Arbeit hat ihren Preis. Das war schon immer so, Qualität setzt sich durch. Vor allem ist der Mainstream nie das Maß der Dinge. Die Meinung eines Einzelnen schon gar nicht. Man darf Kunden und Geschäftspartner bei der Beurteilung seiner Arbeiten nur bedingt ernst nehmen. Oft ist Politik im Spiel oder es geht um eigene Interessen. Manchmal denkt der Beurteilende auch einfach nicht darüber nach, für wen oder was der Text überhaupt gedacht ist.
Ich persönlich mag Pferde nach wie vor. Es schadet aber nichts, eine Reitgerte im Gepäck zu haben. Denn Pferde kotzen nicht nur, sie treten immer wieder und versuchen dich urplötzlich beim schönsten Ausritt abzuwerfen. Wir Freiberufler können ein Lied davon singen. Im Schlaraffenland. Aber was sind schon ein paar kotzende und bockige Rösser, wenn man als Ausgleich den schlaraffischen Sonnenaufgang verschlafen kann und in der Mittagssonne mit echten Rassepferden reiten darf, die den Ritt genauso genießen wie du?
Beste Grüße aus dem Kreativbüro
Ihr Texter Stefan Thönes